Bekanntlich werden zwischenzeitlich gut 50 % der geschlossenen Ehen wieder geschieden. Die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Scheidung sind den Betroffenen in der Regel bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass es auch ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren gibt, welches insbesondere dann von Wichtigkeit werden kann, wenn eine zivilrechtlich geschiedene Person eine neue, kirchliche Ehe schliessen möchte. Der vorliegende Beitrag soll deshalb über das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren der römisch-katholischen Kirche informieren. In diesem Zusammenhang muss jedoch zuerst verstanden werden, was die Ehe nach römisch-katholischem Glauben ist, sodann werden die Voraussetzungen des kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahrens kurz dargestellt.

Die Ehe nach katholischem Glaubensverständnis:

Nach römisch-katholischem Verständnis ist die Ehe ein Bund, durch den Mann und Frau eine lebenslange Gemeinschaft begründen, die aus ihrer Natur heraus auf das Wohl der Ehegatten und die Zeugung und Erziehung von Kindern ausgerichtet ist (KKK 1601, can. 1055 §1 CIC). Die Ehe zwischen christlich getauften Eheleuten ist nach Verständnis der römisch-katholischen Kirche ein Sakrament und damit heilig. Aus diesem Bund der Eheleute entsteht «eine nach göttlicher Ordnung feste Institution und zwar auch gegenüber der Gesellschaft» (GS 48,1) . Der Ehebund zwischen den Ehegatten wird in den Bund Gottes mit den Menschen eingegliedert, das Eheband somit von Gott selbst geknüpft, weshalb die zwischen Getauften geschlossene und vollzogene Ehe nicht aufgelöst werden kann (KKK 1639, 1640). Verdeutlich bedeutet dies, dass die Brautleute aus einem freien menschlichen Akt im Sinne einer übereinstimmenden Willensentscheidung sich für die Ehe entscheiden und durch die kirchliche Trauung knüpft Gott das Eheband, erhebt diese Ehe zur Würde eines Sakraments, schenkt den Ehegatten seine Gnade und gliedert sie in seinen Bund mit den Menschen ein. Aus diesem Grund liegt es nach römisch-katholischem Verständnis nicht in der Macht des Menschen resp. der Kirche, sich gegen diese göttliche Verfügung bzw. diesen göttlichen Bund auszusprechen, d.h. das von Gott mit den Ehegatten geknüpfte Eheband aufzulösen (KKK 1640). Um also die Haltung der römisch-katholischen Kirche zur Scheidung und einer (kirchlichen) Wiederheirat sowie das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren verstehen zu können, muss man begreifen, dass nach kirchlicher Ansicht die Ehe nicht als rein gesellschaftsrechtliche Institution betrachtet wird, sondern Teil der göttlichen Ordnung und der spezifischen Glaubensauffassung ist und deshalb nicht den Veränderungen in der menschlichen Gesellschaft unterworfen ist.

Das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren:

Die Ehe ist demnach unauflöslich, sofern sie gültig zustande kam und vollzogen wurde. Dies führt dazu, dass eine solche Ehe zwar zivilrechtlich geschieden werden kann, nach römisch-katholischer Auffassung aber weiterhin gültig ist. Eine erneute (kirchliche) Heirat wäre deshalb ausgeschlossen. Allerdings kann es sein, dass eine Ehe in kirchenrechtlicher Hinsicht nicht gültig zustande kam, d.h. nichtig ist. Die Nichtigkeitserklärung ist jedoch keine Auflösung (also Scheidung) einer bestehenden Ehe, sondern die kirchenrechtliche Feststellung, dass der Ehebund rechtlich betrachtet von Anfang an nicht gültig geschlossen wurde und damit nie bestanden hat. Das katholische Kirchengericht überprüft somit im Ehenichtigkeitsverfahren, ob Gründe vorliegen, welche die Ehe von Beginn an ungültig machten. Das Nichtigkeitsverfahren wird gegen die Rechtsvermutung eines gültigen Ehebandes geführt, nicht gegen einen Ehepartner, weshalb die Frage nach der Schuld am Scheitern der Ehe sekundär ist. Dies führt dazu, dass der klagende Ehepartner auch Nichtigkeitsgründe, welche in seiner Person liegen, geltend machen kann.

Die Ehe kann u.a. aus folgenden Gründen nichtig sein:

  • formelle Mängel
  • Ausschluss der Unauflöslichkeit der Ehe
  • Ablehnung, Kinder zu bekommen
  • Ausschluss der ehelichen Treuepflicht
  • Ausschluss der Sakramentalität der Ehe
  • Zwang
  • Täuschung
  • Eheschluss unter einer Bedingung
  • Irrtum
  • Eheführungsunfähigkeit (z.B. wegen Krankheit oder aus psychischen Gründen) bei einem oder beiden Partnern

Jedes Bistum verfügt über ein eigenes Kirchengericht, welches u.a. auch für die Durchführung von Ehenichtigkeitsverfahren zuständig ist. Auf Antrag eines oder beider Ehepartner kann das zuständige Kirchengericht ein Ehenichtigkeitsverfahren durchführen und prüfen, ob eine gültige Ehe im konkreten Fall vorliegt oder nicht.

 

Haben Sie weitere Fragen? Das HütteLAW-Team berät Sie gerne.

Cornelia Arnold / 21 Jan 2020