Wer kennt nicht die Situation auf einer dicht befahrenen Autobahn. Abstandhalten ist dabei äusserst schwierig. Doch die Rechtsprechung ist unmissverständlich hart und nimmt wenig Rücksicht auf die modernen Assistenzsysteme im Fahrzeug. Ungeduld im Kolonnenverkehr lohnt sich definitiv nicht, greift doch der Staat kräftig ins Portemonnaie des Autofahrers. Immerhin kann nach einer Verurteilung mit Führerausweisentzug der Arbeitsweg etwas sportlicher gestaltet und etwas für die Gesundheit getan werden.

 

Gefährdung genügt

Mit dem Strassenverkehrsgesetz will man die Benutzer öffentlicher Strassen zum Einhalten der Verkehrsregeln im Sinne der Verkehrssicherheit anhalten. Die Strafbestimmungen (Art. 90 ff. SVG) werden unabhängig davon angewandt, ob es zu einem Unfall kommt oder nicht. Bereits die Möglichkeit eines Unfalles reicht aus (abstraktes Gefährdungsdelikt).

Beim Hintereinanderfahren ist gegenüber allen Strassenbenutzern ausreichend Abstand zu wahren, sodass auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig angehalten werden kann (Art. 34 Abs. 4 SVG, Art. 12 Abs. 1 VRV). Obwohl der ausreichende Abstand auch von der örtlichen Situation abhängt, wird der Distanz zum vorderen Fahrzeug grosses Gewicht beigemessen. Grundsätzlich sollte daher auch bei dichtem Verkehr den zwei Faustregeln zur Distanzeinschätzung «Halber Tacho» und «Zwei-Sekunden-Regel» vermehrt Beachtung geschenkt werden.

Wer die Verkehrsregeln grob verletzt und eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer herbeiführt, muss mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe rechnen (Art. 90 Abs. 2 SVG). Mit der Verletzung einer grundlegenden Verkehrsvorschrift ist eine grobe Verletzung anzunehmen. Eine ernstliche Gefahr ist bereits mit einer erhöhten abstrakten Gefährdung erfüllt, somit bevor es überhaupt zu einem Unfall gekommen ist. Hinzu kommt noch ein Führerausweisentzug für mindestens drei Monate (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG).

 

Dreifache Bestrafung

In einem kürzlich ergangenen bundesgerichtlichen Urteil (BGer 6B_1037/2020 vom 20.12.2021) fuhr ein Lenker am 13.01.2018 mit einem Personenwagen auf der Autobahn A2 in Basel. Dabei hielt er bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 65 km/h während 45 Sekunden einen Abstand von 10 Metern bzw. 0,55 Sekunden zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug. Für die Beurteilung, ob eine grobe Verkehrsregelverletzung anzunehmen ist, wird auf Autobahnen als Richtschnur die Regel „1/6-Tacho“ bzw. der Abstand von 0,6 Sekunden herangezogen. Nach der Rechtsprechung kann eine grobe Verkehrsregelverletzung bereits vorliegen, wenn der erforderliche Mindestabstand auf einer Strecke von weniger als 300 Metern unterschritten wird. Unbehelflich war die Rüge des Lenkers, es sei im Fall eines abrupten Bremsmanövers des vorherfahrenden Fahrzeugs nicht von einer hohen Kollisionsgefahr auszugehen, weil das in seinem Fahrzeug verbaute elektronische System zur automatischen Distanzregelung eingeschritten wäre und selbstständig abgebremst hätte. Ein elektrisches (Assistenz-) System zur Distanzregulierung entbindet den Fahrzeuglenker in keinem Fall von seiner Pflicht, die Abstandsregeln einzuhalten, die vorliegend grob verletzt worden sind.

Die Strafe betrug in diesem Fall 15 Tagessätze zu CHF 1’060.00 bedingt zzgl. Busse von CHF 3’000.00. Danach wird noch das kantonale Administrativverfahren folgen, was einen Entzug des Führerausweises von mindestens drei Monaten zur Folge haben wird. Zu addieren sind schliesslich die einige tausend Franken hohen Anwalts- und Verfahrenskosten.

 

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Autor: Mario Kälin / 16. März 2022, 10:45