In einem früheren Blogbeitrag haben wir bereits eine kurze Übersicht der durch die «grosse Aktienrechtsrevision» bevorstehenden Neuerungen und Änderungen im Aktienrecht skizziert. Vorliegend soll nun im Besonderen auf die neuen Möglichkeiten und Formen bei der Durchführung von Generalversammlungen eingegangen werden:
Einberufung
Bereits nach geltendem Recht ist es zulässig – sofern die Statuten der Gesellschaft dies vorsehen – die Einladung für die Generalversammlung in elektronischer Form zuzustellen. Jedoch ist bislang gemäss Art. 697 OR, selbst wenn die Einladung elektronisch versandt werden kann, zwingend eine physische Auflage von Geschäfts- und Revisionsbericht am Gesellschaftssitz und eine diesbezügliche schriftliche Information der Aktionäre per Brief vorgeschrieben. Das neue Aktienrecht schafft diese physische Auflage- und schriftliche, d.h. briefliche, Informationspflicht über die Auflage ab und lässt das elektronische Zugänglichmachen von Geschäfts- und Revisionsbericht mindestens 20 Tage vor der GV genügen. Somit wird inskünftig eine Einberufung in rein elektronischer Form – etwa per E-Mail – möglich sein. Die Einberufung muss Datum, Zeit, Art, und Tagungsort, Verhandlungsgegenstände und Anträge sowie Informationen über einen allfälligen unabhängigen Stimmrechtsvertreter enthalten.
Durchführung der Generalversammlung
Die Aktienrechtsrevision bringt neue und flexiblere Möglichkeiten zur Durchführung der Generalversammlung und schafft Klarheit hinsichtlich der Zulässigkeit verschiedener Versammlungsformen.
Neben der klassischen physischen Generalversammlung an einem einzigen Tagungsort in der Schweiz kann die Generalversammlung neu ausdrücklich auch an einem Tagungsort im Ausland oder an mehreren Tagungsorten gleichzeitig (wobei in diesem Fall die Voten der Teilnehmer unmittelbar in Bild und Ton an sämtliche Tagungsorte übertragen werden müssen) durchgeführt werden. Weiter besteht die Variante einer hybriden Versammlung, bei der neben einem oder mehreren physischen Tagungsorten den nicht physisch anwesenden Aktionären eine Teilnahmemöglichkeit auf elektronischem Wege geboten wird. Schliesslich kann die Generalversammlung auch rein virtuell und ohne Tagungsort durchgeführt werden, sofern die Statuten der Gesellschaft dies vorsehen.
Der Verwaltungsrat hat bei der Verwendung elektronischer Mittel zur Durchführung der Generalversammlung für die Einhaltung gewisser gesetzlicher Voraussetzungen zu sorgen. Insbesondere muss die Identität sämtlicher Teilnehmer festgestellt werden. Die Voten der Teilnehmer müssen zudem unmittelbar übertragen werden und sämtliche Teilnehmer müssen sich an der Diskussion beteiligen und Anträge stellen können. Letztlich ist auch sicherzustellen, dass das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann.
Das neue Recht enthält keine Bestimmung zu den einzelnen nutzbaren Technologien oder Diensten. Mit den meisten Videokonferenzlösungen sollten die oben dargelegten Mindestvoraussetzungen erfüllbar sein. Die Wahl der zur Durchführung der Generalversammlung eingesetzten Technologien obliegt dem Verwaltungsrat.
Unter geltendem Recht wird die Beschlussfassung der Generalversammlung per Zirkularbeschluss als unzulässig erachtet. Die Aktienrechtsrevision ermöglicht nun im Rahmen der Universalversammlung (also einer Generalversammlung an der sämtliche Aktien vertreten sind) und sofern sämtliche Aktionäre der Art der Beschlussfassung zustimmen, die Beschlussfassung auf schriftlichem oder elektronischem Wege. Insbesondere für Aktiengesellschaften mit überschaubarem Aktionariat wird diese Form der Beschlussfassung eine attraktive und flexible Option darstellen.
Was heisst dies für Sie?
Die Aktienrechtsrevision bringt weitreichende Flexibilisierungen und neue Möglichkeiten für die Durchführung der Generalversammlung. Um von diesen Neuerungen inskünftig umfassend Gebrauch machen zu können, wird vielfach eine Änderung der bestehenden Statuten erforderlich sein. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich im Vorfeld die bestehenden Statuten sowie allfällige Organisationsreglemente im Hinblick auf die Neuerungen der Aktienrechtsrevision zu prüfen und gegebenenfalls Ihren Bedürfnissen entsprechend anzupassen.
Haben Sie weitere Fragen? Das HütteLAW-Team berät Sie gerne.
Autor: Gregor Jeker / 11. Aug. 2021, 12: 30