Das Schweizer Sozialversicherungsrecht knüpft im Wesentlichen an das Element des Erwerbsstatus an, d.h. ob die Person unselbstständig oder selbstständig erwerbstätig oder ob sie nicht erwerbstätig ist. Die jeweilige Branche spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Traditionell und bis in die heutige Zeit verbreitet, gilt in der Landwirtschaft aber die Vorstellung einer familienbasierten und auf eine eigentliche Entlohnung der Arbeit ganz oder teilweise verzichtenden bäuerlichen Produktionsgemeinschaft. Wenn im Betrieb mitarbeitende Familienmitglieder aber keinen eigentlichen Lohn erhalten zahlen sie auch nicht auf den eigenen Namen in die 1. Säule (AHV/IV/EO) ein, sie können keine 2. Säule aufbauen und Frauen haben keinen Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung. Mitarbeitende Familienmitglieder, die nicht finanziell entlohnt werden, gelten vor dem Sozialversicherungsrecht – trotz ihres Einsatzes – als Nichterwerbstätige. Dieser Abweichung im Sektor der Landwirtschaft trägt der Schweizer Gesetzgeber zwar in Ausnahmebestimmungen zur Sozialversicherungsordnung Sorge, doch gilt es, für die Betroffenen diesen Umstand bei der eigenen Vorsorgeplanung zwingend zu berücksichtigen, um allfällige Lücken im Vorsorgefall zu vermeiden.

Dieses Verständnis von einer familienbasierten, bäuerlichen Produktionsgemeinschaft in der Landwirtschaft zeigt sich meist auch bei der Übergabe des Betriebs an die nachfolgende Generation. Der eigene Betrieb besteht in der Regel aus dem selbstgenutzten Wohneigentum und dinglichen Rechten an Liegenschaften, welche verhältnismässig hohe Werte erreichen können. Oftmals ist der eigene Betrieb gleichzeitig auch der zentrale Vermögenswert und die Einkommensgrundlage der Familie.

Unvorhersehbare Ereignisse wie eine Krankheit oder ein Unfall können plötzlich dazu führen, dass eine Person auf die Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen ist. Dabei kommt beispielweise im Zusammenhang mit Ergänzungsleistungen (EL) dem Vermögen einer Person eine doppelte Rolle zu. Einerseits bestimmt die Höhe des bestehenden Vermögens, ob überhaupt ein Anspruch auf EL besteht. Andererseits entscheidet die Höhe des bestehenden Vermögens bei der EL-Berechnung über die Höhe des Anspruchs.

Wird das Eigentum an einer Liegenschaft, einem landwirtschaftlichen Gewerbe oder einem anderen Vermögenswert ohne gleichwertige Gegenleistung an eine andere Person übertragen, so wird bei der Berechnung des EL-Anspruchs ein Vermögensverzicht angenommen. Solche Einkommens- oder Vermögenwerte, auf die eine Person freiwillig verzichtet hat, werden bei der Berechnung der EL so behandelt, als wären sie tatsächlich vorhanden (Art. 11a Abs. 1 und 2 ELG). Ein Vermögensverzicht wird berechnet, indem dem Wert des veräusserten Vermögenswertes eine fiktiv  erhaltene Gegenleistung gegenübergestellt wird. Gleichwertig ist eine Gegenleistung dann, wenn ihr Wert mindestens 90 % des veräusserten Vermögenswertes entspricht.

Der massgebliche Wert des veräusserten Vermögenswertes entspricht grundsätzlich dem Verkehrswert des Vermögenswertes, d.h. dem Verkaufswert, den das Vermögen im normalen Geschäftsverkehr hat. Die Kantone können statt des Verkehrswertes auch den steuerrechtlichen Repartitionswert für die Berechnung heranziehen (Art. 17a Abs. 6 ELV). Soweit aber von Gesetzes wegen ein Rechtsanspruch auf den Erwerb zu einem tieferen Wert besteht, ist dieser tiefere Wert heranzuziehen (Art. 17a Abs. 5 ELV). Diesem Fall kommt insbesondere in der Landwirtschaft eine erhebliche Bedeutung zu, da bei der Veräusserung eines landwirtschaftlichen Gewerbes die Nachkommen des Veräusserers und teilweise auch die Geschwister und deren Kinder ein Vorkaufsrecht am landwirtschaftlichen Gewerbe zum Ertragswert und an einem landwirtschaftlichen Grundstück zum doppelten Ertragswert geltend machen können (Art. 42 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 44 BGBB).

Als Gegenleistung ist die Bezahlung eines Kaufpreises, die Übernahme der auf dem Gewerbe lastenden Hypothekarschulden oder auch die Einräumung von Nutzniessungs- und Wohnrechten an den Liegenschaften denkbar. Letztere werden kapitalisiert bewertet, d.h. der Jahreswert eines solchen Rechtes wird mit dem Kapitalisierungsfaktor multipliziert, welcher die statistische Restlebenserwartung der begünstigten Person abbildet. Je früher die Abtretung erfolgt, desto höher ist der Kapitalwert solcher eingeräumter Rechte. Der häufige Fall, dass der Betrieb zwar zu einem angemessenen Preis verkauft wird, der Kaufpreis aber ganz oder teilweise als Darlehen gestundet wird, stellt zwar keinen Vermögensverzicht dar, das Darlehen gilt aber als Teil des eigentlichen Vermögens der betroffenen Person, das in den meisten Fällen jedoch gar nicht liquide zur Verfügung steht, weil der Darlehensnehmer zur Rückzahlung finanziell nicht in der Lage ist.

Weisen Sie bei der Hofübergabe diesen Fall eines allfälligen späteren EL-Bedarfs nicht von sich. Gestalten Sie die Übergabe hingegen bewusst, vorausschauend und auf den Einzelfall abgestimmt, sodass zu einem späteren Zeitpunkt negative Auswirkungen auf die EL-Berechnung möglichst ausgeschlossen werden können.

 

Haben Sie weitere Fragen? Das HütteLAW-Team berät Sie gerne.

 

Autor: Christian Bernegger / 11. Feb. 2022, 18:00