Gemäss Bundesgericht kann bei einer lebensprägenden Ehe aufgrund des Solidaritätsgedankens nachehelicher Unterhalt unabhängig von der Aufgabenteilung während der Ehe geschuldet sein. In casu wurde ein Mann, der nach einem Hirnschlag IV-Bezüger ist, dazu verpflichtet, seiner Ex-Frau monatlich nachehelichen Unterhalt zu bezahlen, obwohl die gemeinsame Tochter während der Ehe fremdplatziert wurde, da die Ehefrau aufgrund ihrer Alkoholsucht nicht für die Kinderbetreuung aufkommen konnte. Bei einer lebensprägenden Ehe hat nach Ansicht des Bundesgerichts der Partner Anspruch auf Fortführung der ehelichen Lebenshaltung. Eine lebensprägende Ehe wird grundsätzlich angenommen, wenn die Ehe entweder mehr als zehn Jahre dauert oder daraus gemeinsame Kinder hervorgehen. Dass die Ehefrau vorliegend aufgrund ihrer Alkoholsucht der Kinderbetreuung nicht nachkommen konnte, obwohl sie nicht erwerbstätig war, lässt die Lebensprägung der Ehe nicht dahinfallen. Ehegatten tragen gegenseitig die Verantwortung dafür, wenn es ihnen wegen der ehelichen Aufgabenteilung oder aus anderen Gründen nicht möglich ist, den Unterhalt selbst zu bestreiten. Entsprechend ist es gemäss Bundesgericht bei der Beurteilung von Anspruch und Umfang des nachehelichen Unterhalts zu berücksichtigen, wenn sich während einer lebensprägenden Ehe der Gesundheitszustand eines Ehepartners so verschlechtert hat, dass dies zu einer Erwerbsunfähigkeit führt. Die Alkoholabhängigkeit wird als Krankheit angesehen, daher können der Ehefrau die daraus resultierenden Folgen, wie die Einschränkung bei der Kinderbetreuung, nicht als grobe Verletzung der Unterhaltspflicht i.S.v. Art. 125 Abs. 3 Ziff. 1 ZGB zur Last gelegt werden. Folglich hat der Ex-Partner die Folgen der Krankheit seiner Ex-Partnerin mitzutragen, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie aufgrund ihrer Krankheit wohl einige Zeit erwerbsunfähig ist.
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Quelle: BGer 5A_215/2018
Autorin: Stephanie Kaiser / 20. Feb. 2019, 12:03