Im Entscheid BGer 4A_381/2020 vom 22. Oktober 2020 befasste sich das Bundesgericht erneut mit der Frage, wie viele Ferientage sich ein Arbeitnehmer im Kündigungsfall während der Freistellung anrechnen lassen muss.

 

Wird ein Arbeitsverhältnis gekündigt und stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer frei, so wird der Arbeitnehmer von der Erbringung seiner Arbeitspflicht für die Zeit zwischen einer ausgesprochenen Kündigung und dem Vertragsende befreit. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer indes bis zum Ablauf der Kündigungsfrist den Lohn weiter zu bezahlen, als hätte er gearbeitet.

 

Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistung abgegolten werden. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gekündigt und ihn freigestellt, kann er vom Arbeitnehmer verlangen, dass offene Ferienansprüche während der Freistellungsdauer kompensiert werden. Dies unter der Voraussetzung, dass die Kündigungsfrist im Verhältnis zu den verbleibenden Ferien ausreichend lang ist, um eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann eine solche Kompensation auch ohne ausdrückliche Anordnung seitens des Arbeitgebers erfolgen, soweit dem Arbeitnehmer neben der Stellensuche genügend Zeit zur Kompensation der Ferien- und Feiertage verbleibt.

 

Das Bundesgericht geht in der Regel davon aus, dass ein Drittel der Freistellungsdauer für den Ferienbezug verwendet werden darf. Konkret sind jedoch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei von der vorgenannten Regel abgewichen werden kann. Im eingangs erwähnten Entscheid stellte das Bundesgericht nun klar, dass dem freigestellten Arbeitnehmer im konkreten Fall sogar rund die Hälfte der Kündigungsfrist als bezogene Ferientage angerechnet werden dürfen. Dies unter anderem aus folgenden Gründen:

  1. Da der Arbeitnehmer gegen Treu und Glauben handelte, weil er behauptete, er habe viel Zeit für die Arbeitssuche benötigt, obwohl feststeht, dass er zu diesem Zeitpunkt schon (Wiedereingliederungs-)Massnahmen gemäss dem Kantonalen Sozialversicherungsamt ergriffen hatte.
  2. Weil fraglich ist, ob die festgestellte Arbeitsunfähigkeiten wirklich ein Hindernis für die Arbeitssuche darstellt.
  3. Da die Feststellung, dass eine Person objektiv Zeit braucht, um einen neuen Beruf zu erlernen, nicht ausreicht, sondern es alle Umstände des Falles analysiert werden müssen.

 

Fazit:

Bei einer der Kündigung vorangehenden Freistellung muss sich der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Ferientage anrechnen lassen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung macht die Anrechnung der Ferientage grundsätzlich ein Drittel der Freistellungsdauer aus. Jedoch gilt auch hier die Einzelfallbetrachtung; handelt der Arbeitnehmer gegen Treu und Glauben, so kann die Anrechnungsdauer – wie im vorliegendem Urteil des Bundesgerichts (BGer 4A_381/2020 vom 22. Oktober 2020) aufgezeigt – auch auf die Hälfte der Freistellungsdauer verlängert werden.

 

Quelle: BGer 4A_381/2020 vom 20. Oktober 2020

 

Haben Sie weitere Fragen? Das HütteLAW-Team berät Sie gerne.

Autorin: Larissa Kälin / 19. Feb. 2021, 12:23