Der braungebrannte Bademeister Tony geniesst im öffentlichen Bad schon fast Prominentenstatus. Nicht nur wegen seines Surfer Boy-Looks und seiner charmanten Art, sondern auch, weil er seine Pflichten als Bademeister sehr ernst nimmt und schon unzählige Badegäste aus Gefahrensituationen gerettet hat, wird er von den Badegästen allseits geschätzt. Gerade vor-letzte Woche konnte er den wagemutigen Fabu, welcher vom Dreimeterturm sprang und sich den Kopf anstiess, aus dem Wasser retten.

Doch heute kam es zu einem beinahe verheerenden Ereignis. Während sich Tony von der hübschen Badenixe Julia ablenken lässt, geht der dreijährige Max vom seichten Kinderbereich ins tiefe Wasser. Seine Mutter hat ihn nicht im Blickfeld. Als sie realisiert, dass ihr Sohn nicht mehr im Kinderbereich spielt, verständigt sie angsterfüllt sofort Bademeister Tony. Dieser springt gleich ins Wasser und kann den bewusstlosen Max in letzter Minute aus dem Wasser holen und reanimieren.

Fraglich ist nun, welche Pflichten dem Bademeister obliegen und inwieweit Badegäste bzw. deren Obhutspersonen selbst für ihre Sicherheit verantwortlich sind, denn nicht jeder Gefahr kann vorgebeugt werden. Der Verband Hallen- und Freibäder VHF hat entsprechend die «Norm über die Aufsicht in öffentlichen Bädern» (nachfolgend «Norm») erlassen, welche Badi-Betreibern und Bademeistern als Grundlage dienen. Gemäss dieser Norm hat sich die Überwachung der Badegäste grundsätzlich auf erkennbar ungewöhnliches und gefährliches Verhalten zu konzentrieren und der Badegast bzw. dessen Obhutsperson trägt das mit der üblichen, normalen Wassernutzung verbundene Risiko selbst (Art. 3 Abs. 2 der Norm). Die Badegäste sind gehalten, weder sich selbst, noch andere Badegäste einer Gefahr auszuset-zen, der sie nicht gewachsen sind (Art. 3 Abs. 3 der Norm). Gemäss Artikel 10 ff. der Norm müssen Bademeister den Badebetrieb beobachten, in Notfällen Hilfe und Rettung leisten sowie Massnahmen zur Verhinderung von Unfällen ergreifen. Der Bademeister muss insbesondere Stellen mit gesteigertem Gefahrenpotential, wie Sprunganlagen, Strömungskanäle, tiefe Becken, Schwimmbeckenränder und Wasserrutschen, genau überwachen (Art. 11 der Norm sowie bundesgerichtliche Rechtsprechung). Bei erkennbarem gefährlichem oder ungewöhnli-chen Handeln muss der Bademeister direkt eingreifen.

Kinder, die noch nicht schwimmen können, bedürfen der dauernden Überwachung eines Er-wachsenen. Es ist jedoch nicht möglich, dass Bademeister in öffentlichen Bädern allein die Aufsicht von Kindern, die nicht schwimmen können, übernehmen. Eine lückenlose Überwachung von Kindern in öffentlichen Bädern können die Bademeister nicht gewährleisten, wes-halb Erziehungspflichtige dafür Sorge tragen müssen, dass solche Kinder nur in Begleitung eines Erwachsenen ein öffentliches Bad besuchen (Art. 4 der Norm). Dieser Begleitperson obliegt die Aufsicht über das Kind.

Im vorliegenden Fall hätte also die Mutter von Max auf ihn achten müssen, da Max erst drei Jahre alt ist und noch nicht schwimmen konnte. Aber auch Bademeister Tony verletzt seine Aufsichtspflicht, da der Übergang von seichtem ins tiefe Wasser eine Gefahrensituation darstellt, die er grundsätzlich im Auge behalten muss.

(Anmerkungen: aufgelistete Pflichten finden Anwendung auf öffentliche Bäder, insb. Hallenbäder, Freibäder, Seebäder, Schulbäder und Hotelbäder; die vorstehend erwähnten Pflichten des Bademeisters sind nicht abschliessend)

 

Haben Sie weitere Fragen? Das HütteLAW-Team berät Sie gerne.

Quellen:
Verband Hallen- und Freibäder VHF: Norm über die Aufsicht in öffentlichen Bädern, Ausgabe Mai 2016
BGE 113 II 424
BGer 6B_707/2009 Urteil vom 6. Oktober 2009

Autorin: Selina Büttiker / 14. Aug. 2019, 11:13