Darf eine wegen Verletzung der Strassenverkehrsregeln angeklagte Person verurteilt werden, wenn einziges Beweismittel Dashcam Aufnahmen sind, welche ein anderer Verkehrsteilnehmer privat vom angeblichen Regelverstoss gemacht hat?
Mit dieser Frage hatten sich das Bezirksgericht Bülach am 26. April 2018 sowie in zweiter Instanz das Obergericht Zürich am 9. Oktober 2018 zu befassen und beide Gerichte kamen zum Urteil, dass die privaten Dashcam Aufnahmen im konkreten Fall als Beweismittel zugelassen werden müssten. Sie gingen davon aus, dass die Dashcam Aufnahmen zwar rechtswidrig erstellt wurden, jedoch sei Art. 141 Abs. 2 StPO auf Beweiserhebung durch Privatpersonen nicht anwendbar. Ferner seien nach ihrer Ansicht die gemäss bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung verlangten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von durch Privatpersonen rechtswidrig erlangten Beweismitteln gegeben. Diese Voraussetzungen wären: die strittigen Beweismittel hätten von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig erlangt werden können und kumulativ muss ein überwiegendes Interesse an der Verwertung (z.B. wegen der Schwere der Straftat) bestehen. Zwischenzeitlich hat das Bundesgericht (BGE 6B_1188/2018) sich mit diesem Fall befasst und das Urteil des Obergerichts Zürich vom 9. Oktober 2018 aufgehoben und den Fall zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Art. 141 Abs. 2 StPO verbietet die Verwertung von Beweisen, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Was bedeutet dies nun für durch Privatpersonen rechtswidrig erlangte Beweismittel? Wie sind private Dashcam Aufnahmen über andere Verkehrsteilnehmer zu werten? Macht eine Person von anderen Personen z.B. im Strassenverkehr private Dashcam Aufnahmen, ohne dass die aufgenommene Person davon Kenntnis und den Aufnahmen zugestimmt hat, so ist eine solche Datenbearbeitung als heimlich im Sinne von Art. 4 Abs. 4 DSG einzustufen und damit ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel. Für andere Verkehrsteilnehmer ist grundsätzlich nicht erkennbar, wenn solche Videoaufnahmen aus einem anderen Fahrzeug heraus gemacht werden. Da es gemäss Bundesgericht aus Sicht der beschuldigten Person jedoch keine Rolle spielt, ob der Beweis von Behörden oder Privatpersonen erhoben worden ist, betrachtet es das Bundesgericht – im Gegensatz zu den Vorinstanzen – als angemessen, bei von Privatpersonen erhobenen Beweisen denselben Massstab (Art. 141 Abs. 2 StPO) anzuwenden wie bei einer Beweiserhebung durch Strafbehörden. Ferner ist gemäss Bundesgericht zu prüfen, ob eine schwere Straftat vorliegt, welche eine Beweisverwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels rechtfertigen würde. Liegen hingegen nur einfache Verletzungen der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 und 2 SVG), also Übertretungen und Vergehen, vor, so dürfte die Berücksichtigung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln wohl nicht gerechtfertigt und somit unzulässig sein.
Fazit:
Private Dashcam Aufnahmen anderer Verkehrsteilnehmer ohne deren Zustimmung sind also grundsätzlich rechtswidrig erlangte Beweismittel, welche wohl künftig nur dann gegen den Verkehrssünder verwendet werden können, wenn dieser wegen einer schweren Straftat im Strassenverkehr beschuldigt wird sowie das Beweismittel durch die Strafverfolgungsbehörden hätte rechtmässig erlangt werden können.
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Autorinnen: Cornelia Arnold und Stephanie Kaiser / 20. Nov. 2019, 10:22