Was muss der Erblasser beachten, wenn er im Laufe seines Lebens mehrere Testamente errichtet hat und das Testament jüngsten Datums widerruft?

Das Bundesgericht (BGer 5A 69/2019) hatte neulich darüber zu befinden, ob der Widerruf eines neuen Testaments ein zeitlich älteres wiederaufleben lässt. Im konkreten Fall hatte der Erblasser im Jahr 2008 ein Testament errichtet, welches (neben seiner Ex-Frau und seiner Tochter) seiner Lebenspartnerin CHF 10 Mio. versprach. 2010 hatte der Erblasser ein neues Testament erlassen, welches ausdrücklich jegliche früheren Verfügungen von Todes wegen ersetzen sollte. Im neuen Testament von 2010 hatte er seiner Lebenspartnerin nur noch für fünf Jahre CHF 15’000.- monatlich zugedacht. Schliesslich vernichtete der Erblasser zu einem späteren Zeitpunkt das im Jahr 2010 verfasste Testament. Fraglich war nun, ob dadurch das widerrufene Testament aus 2008 wiederauflebte oder keines der beiden Testamente mehr gültig war und folglich die gesetzliche Erbfolge greifen würde.

Das Bundesgericht hat entschieden, dass der Widerruf des neuen Testaments nicht automatisch das alte wiederaufleben lässt und somit die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung kommt. Ein Wiederaufleben ist nur möglich, wenn der Erblasser dies ausdrücklich erklärt. Nur auf diese Weise kann das im Erbrecht zentrale Prinzip des Testierwillens gewahrt werden. Dies hat in diesem Falle für die Lebenspartnerin des Erblassers zur Folge, dass sie weder CHF 10 Mio. noch für 5 Jahre monatlich CHF 15’000.- erbt, sondern leer ausgeht, weil sie in der gesetzlichen Erbfolge (ebenso wie die Ex-Frau) nicht zum Zuge kommt und das gesamte Erbe an die Tochter geht.

Wie der jüngste entschiedene Fall zeigt, kann es für die Erben erhebliche Auswirkungen haben, wenn der Erblasser nach der Vernichtung eines Testaments keinen klaren neuen Testierwillen äussert. Möchte der Erblasser ein bestehendes Testament aufheben oder vernichten, ist deshalb zu empfehlen, grundsätzlich ein neues Testament aufzusetzen.

 

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Quellen: BGer 5A_69/2019 vom 20. Juni 2019 und BGE 91 II 264

Autorin: Selina Büttiker / 24. Okt. 2019, 10:39