Wer mit steuerrechtlichen Sachverhalten, gerade im internationalen Kontext, in Berührung kommt, stösst schnell auf den Begriff der steuerlichen Substanz. Dieser ist für die internationale Steuerplanung elementar, da er darüber entscheidet, wo Gewinne zugerechnet werden und allenfalls eine (aus steuerrechtlicher Sicht nicht akzeptierte) Gewinnverlagerung angenommen wird. Nur bei genügend Substanz wird der Ort des erwirtschafteten Gewinns akzeptiert.
Hintergrund ist die Bedeutung der tatsächlichen Verwaltung für die steuerliche Zugehörigkeit. Gemäss Art. 50 DBG sind juristische Personen in der Schweiz aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sich ihr Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung in der Schweiz befinden. Auch die für internationale Sachverhalte anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen Fragen für die örtliche Zuteilung oftmals nach der «tatsächlichen Geschäftsleitung» (management and control).
Der Ort der tatsächlichen Verwaltung bzw. management and control liegt praxisgemäss dort, wo eine Gesellschaft ihren wirtschaftlichen und tatsächlichen Mittelpunkt hat, bzw. wo die normalerweise am Sitz sich abspielende Geschäftsführung besorgt wird. Massgebend ist somit die Führung der laufenden Geschäfte im Rahmen des Gesellschaftszweckes; bei mehreren Orten ist der Schwerpunkt der Geschäftsführung massgebend.
Wo nun aber die tatsächliche Verwaltung stattfindet, wird unter anderem durch die Substanz der Gesellschaft am betreffenden Ort bestimmt. Ohne genügende Substanz, keine tatsächliche Verwaltung. Was aber nun genau ist Substanz?
Obwohl es sich um einen der elementarsten Begriffe des Steuerrechts handelt, ist er gesetzlich nicht geregelt. Auch eine klare Definition des Begriffes durch Lehre und Rechtsprechung sucht man vergebens. Und dennoch zeigt beispielsweise das viel diskutierte Bundesgerichtsurteil 2C_1086/2012 aus dem Jahr 2013, die Aktualität des Substanz-Begriffes.
Der Substanzbegriff lässt sich in funktionelle, personelle, infrastrukturelle und finanzielle Substanz einteilen.
Die personelle Substanz fragt danach, ob die betreffende Gesellschaft über die nötige personelle Substanz bzw. Ausstattung verfügt, um insbesondere ihrem Geschäftszweck gerecht zu werden. So kann beispielsweise die tatsächliche Verwaltung einer Gesellschaft kaum von Administrativmitarbeitern vorgenommen werden.
Die infrastrukturelle Substanz beinhaltet die Fragstellung, ob die Gesellschaft über die nötige infrastrukturelle Substanz bzw. Ausstattung verfügt, um insbesondere ihrem Geschäftszweck gerecht zu werden. Je nach Geschäftszweck gehören hierzu eigene Büroräumlichkeiten, Telefon, Fax und Computeranschlüsse. Ob die Struktur gelebt wird, lässt sich an Telefonrechnungen, Kontoauszügen und Mietverträgen nachprüfen. Des Weiteren kann geprüft werden, ob die Bücher am Sitz der Gesellschaft geführt werden.
Die funktionelle Substanz zielt auf das Vorhandensein einer effektiven Geschäftstätigkeit ab.
Schwierig zu kategorisieren ist die finanzielle Substanz. Hier orientiert man sich am Kreisschreiben der ESTV Nr. 6 über das verdeckte Eigenkapital. Bei reinen Finanzierungsgesellschaften muss entsprechend eine Eigenkapitalquote von mind. 15% vorliegen, während bei Beteiligungsgesellschaften eine Eigenkapitalquote von mind. 30% verlangt wird. Dabei sind für die ESTV die Buchwerte und nicht die Verkehrswerte massgebend.
Besteht die Motivation primär in einer Gewinnverlagerung, so werden schnell Hilfskonstrukte gewählt, um die Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft vorzutäuschen. Ein klassisches Alarmsignal für eine Scheintätigkeit ist die reine Anstellung von Administrativpersonal, da Hilfskräfte in der Regel keine strategischen Entscheidungen hinsichtlich des Unternehmenszwecks fällen können.
Weitere Signale können c/o Adressen bei Anwälten und Treuhändern, geringfügige Löhne des Personals und generell zu geringe Kosten vor Ort sein, welche den Betrieb der notwendigen tatsächlichen Infrastruktur in Frage stellen.
Für gesellschaftliche Strukturierungen sind folglich auch immer die steuerlichen Konsequenzen zu beachten.
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Autor: Eric Baumgartner / 29. Jul. 2016, 15:54